Stellenbewerber darf Frage nach eingestelltem Ermittlungsverfahren wahrheitswidrig verneinen

Der Arbeitgeber darf den Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Eine solche unspezifizierte Frage verstößt gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz.
Stellt der Arbeitgeber die Frage dennoch und verneint der Bewerber in Wahrnehmung
seines informationellen Selbstbestimmungsrechts wahrheitswidrig, dass gegen ihn Ermittlungsverfahren anhängig waren, darf der Arbeitgeber das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis nicht wegen dieser wahrheitswidrig erteilten Auskunft kündigen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Der 1961 geborene Kläger bewarb sich im Sommer 2009 als sogenannter Seiteneinsteiger als Lehrer an einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, und zu versichern, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig
sei oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei.
Der Kläger unterzeichnete den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen. Er wurde zum 15.09.2009 eingestellt.

Im Oktober 2009 erhielt die zuständige Bezirksregierung einen anonymen Hinweis, der sie veranlasste, die Staatsanwaltschaft um Mitteilung strafrechtsrelevanter Vorfälle zu bitten. Die daraufhin übersandte Vorgangsliste wies mehrere eingestellte Ermittlungsverfahrenaus. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, weil der Kläger die Frage nach Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet habe.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam.

Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung, das Landesarbeitsgericht auch die ordentliche Kündigung als unwirksam angesehen.
Die hiergegen eingelegte Revision des beklagten Landes blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Eine Erhebung von Daten, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, sei nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt.

Solche Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren seien für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet. Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung habe deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes verstoßen, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Ausdruck kommt.
Sie sei deswegen unwirksam.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2012, 6 AZR 339/11

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